Sogar die größten Schlingel werden handzahm (General Anzeiger Bonn, 12.3.2005)
ITTENBACH. Nach 30 Jahren Berufspraxis war Monika König im Sommer so gespannt wie als junge Lehrerin. Für die erfahrene Pädagogin bedeutete der gemeinsame Unterricht für die ersten und vierten Klassen an der Katholischen Grundschule in Ittenbach Neuland. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Kollegium nach Fortbildung den jahrgangsübergreifenden Unterricht eingeführt und sich für das "Durchlaufmodell" entschieden. In diesem Schuljahr gibt es erstmals vier Klassenverbände 4/1.


Quelle: General Anzeiger Bonn

"Es hat sich bestätigt, was wir vorher vermutet haben. Es gibt täglich viele positive Beobachtungen", sagt Monika König, deren Urteil nach dem ersten halben Jahr mit dem neuen Modell begeistert ausfällt. Das Durchlaufmodell, das die Ittenbacher als eine der ersten Schulen im Rhein-Sieg-Kreis eingeführt haben, bedeutet, dass in Zukunft alle Klassenverbände drei Jahre zusammen bleiben: Die Erstklässler im laufenden Schuljahr werden nach dem Ausscheiden der Viertklässler im nächsten Schuljahr mit den neuen Schulanfängern zur 2/1. Dieser Klassenverband bleibt dann drei Jahre bestehen, bevor die Schulanfänger des Jahres 2005 in der vierten Klasse ihrerseits gemeinsam mit den Schulanfängern des Jahres 2008 unterrichtet werden.

Königs Kollegin Eva Heitkamp hatte das Durchlaufmodell bereits an einer Bonner Schule kennen gelernt, bevor sie nach Ittenbach kam. "Das Sozialgefüge der Klasse und die Lerngruppe bleiben konstant", sieht sie die Vorzüge gegenüber anderen Modellen. Ab dem Sommer soll nach dem Willen der Landesregierung an allen Schulen die flexible Eingangsstufe eingeführt werden, auch wenn vielen Einrichtungen Ausnahmen genehmigt wurden. Danach sollen das erste und zweite Schuljahr zusammengefasst werden, wobei die Kinder die Möglichkeit haben, bis zu drei Jahren in der Eingangsstufe zu bleiben. Überflieger können so jedoch leichter ins dritte Schuljahr springen.

In Ittenbach kommen zurzeit 13 bis 14 Erstklässlerin den vier 4/1-Klassen auf elf bis zwölf Viertklässler. Bereits die unterschiedliche Stundenzahl von 20 für das erste und 26 für das vierte Schuljahr erlaubt dabei eine individuelle Förderung der Großen. In Musik und Sport sind Erst- und Viertklässler getrennt. Englisch steht ohnehin nur für die vierte Klasse auf dem Stundenplan und auch beim Deutschunterricht sind die Großen zwei Stunden in der Woche unter sich. Dazu kommen Kleingruppenstunden in Mathematik und Sachunterricht in den Randstunden.

"Das Modell funktioniert natürlich nur mit ganz klaren Regeln, die immer wieder trainiert werden müssen", sagt Eva Heitkamp. Dabei brächten die ittenbacher Viertklässler die besten Voraussetzungen mit, da sie bereits seit Jahren an offene Unterrichtsformen gewöhnt seien. "Unsere Viertklässler wissen, was sie machen müssen und teilen sich ihre Arbeit sehr selbstständig ein", so die Lehrerin. Dazu gehört intensive Gruppenarbeit. Völlig unstrittig ist für die beiden Lehrerinnen der soziale Profit, den beide Gruppen aus dem gemeinsamen Unterricht schlagen. In den ersten Wochen hätten die Erstklässler geradezu an ihren Paten aus dem vierten Schuljahr geklebt. Dabei brauchen sie Fußbänkchen, um mit den Viertklässlern zusammen am Tisch sitzen zu können. "Die Großen waren das große Vorbild für die Kleinen. Und sie kümmerten sich geradezu rührend um die Erstklässler. Sogar die größten Schlingel in unseren Klassen waren auf einmal handzahm und banden den Kleinen zum Beispiel die Schuhe zu", sagt Monika König. Aber auch im Unterricht überwiegen die Vorteile. "Die Kleinen lernen durch Nachahmung von den Großen sehr schnell und finden dadurch problemlos Zugang zu den verschiedenen Arbeitstechniken. Viele Eltern der Erstklässler freuen sich, wie viel ihre Kinder schön schreiben und lesen können und wie schnell sie selbstständig werden", so Eva Heitkamp. Auf der anderen Seite hätten die Großen die Chance, Geduld und Rücksichtnahme zu erlernen. Einen Vorteil sehen beide Lehrerinnen auch darin, dass sie die 13 bis 14 Erstklässler in ihren Klassen viel besser im Blick haben und sie individuell fördern können, als das bei einem ersten Schuljahr mit 28 Kindern möglich wäre. Die Befürchtung mancher Eltern, ihre Viertklässler würden zu wenig leinen, ist nach Meinung der Lehrerinnen unbegründet.

"Wir beobachten die Kinder ja seit drei Jahren. Und es gab noch keinen Leistungseinbruch bei einem Viertklässler, der auf die Jahrgangsmischung zurückzuführen wäre", sagt Monika König.

Dies bestätigt auch Martin Lotz. "Wir mussten irgendwann den Schnitt machen. Vielleicht ist er für die jetzige vierte Klasse einschneidender als für künftige", sagt der Vorsitzende der Elternpflegschaft. Es habe durchaus kritische Stimmen bei einigen Eltern gegeben, die meinten, sie müssten ihre Kinder jetzt stärker betreuen. Nachdem das Modell angelaufen sei, würden die positiven Stimmen jedoch überwiegen. Auch bei einer Pflegschaftssitzung in der vergangenen Woche sei der Tenor gewesen, dass die Schule auf dem richtigen Weg sei.